Rosa Rendl

»What You Desire«

 

21er Raum im 21er Haus, Wien

15. April — 7. Juni 2015

 

Begehren und Begierde, die Sehnsucht nach etwas, ist der Zustand, um den es hier geht. Und es ist ein Zustand, in dem man sich heute permanent befindet: Ständig wird Begehren von der Welt geweckt, die uns umgibt. Wir sind mit verführenden Bildern konfrontiert, die ein anhaltendes Verlangen erzeugen, genauso wie wir selbst zu Erzeugern dieser Bilder geworden sind. Social Media, die „sozialen Medien“, sind ein Ort geworden, an dem am laufenden Band Reize produziert werden. Dort reproduzieren wir uns ständig neu, positionieren uns, und wecken Sehnsüchte – denn wir begehren nicht nur, sondern wollen auch begehrt werden.

Der virtuelle Raum ist allerdings kein physischer Raum, sondern ein medialer. Das heißt zwischen dem was wir begehren und uns ist ein Filter. Man betrachtet die Welt durch ein Fenster aus kaltem Licht. Diese Wahrnehmung der Welt ist alltäglich geworden: Man verbringt einen großen Teil der Zeit im Internet, geht mit dem Computer schlafen, der einen selbst aufgrund von Algorithmen besser zu kennen scheint, als die engsten Freunde. 

Zu Laptop, Smartphone und Tablet hat man eine Beziehung aufgebaut, die sehr intim ist. Man berührt die Geräte, um sie zu bedienen, streicht mit den Fingern durch Inhalte, als würde man sie streicheln – auch wenn es nur Oberflächen von Dingen sind, die wir hier anfassen. Die haptische Qualität trägt dazu bei, ein anderes Verhältnis zu diesem Medium aufzubauen, als man es etwa mit dem Fernsehen hat. Es ist unmittelbarer, und die Grenzen zwischen physischer und virtueller Welt erscheinen fließend. Das wird zusätzlich durch die zirkulierenden Bilder unterstützt, die uns so im analogen Leben nur bedingt begegnen.

Diese Bilder vermitteln Nähe und scheinen vertraut. Sie sind mit Smartphones aufgenommen, oft leicht verwackelt und zelebrieren ihre Beiläufigkeit. Das Alltägliche wird über sie repräsentiert, während das Besondere in sie eingebettet ist. Katzen und Hunde sieht man da, vor allem aber Menschen. Beim Posieren, Erleben oder Rumhängen sind sie in einer Bildsprache aufgenommen, die so leicht zu lesen wie sie zu erzeugen ist. Die Demokratisierung der Fotografie und deren damit einhergehender Aufstieg zum Kommunikationsmedium hat eben auch die Möglichkeit alltäglicher Bilder gebracht, die zwar nicht für die Nachwelt gedacht sind, aber Platz für die leisen Zwischentöne schaffen.

Rosa Rendl zeigt in ihrer Ausstellung auch eine Serie von Fotos, die sie mit dem Smartphone geschossen hat. Deren Seitenverhältnis ist das eines iPhone-Touchscreens und das charakteristische Farbrauschen haben sie ebenso. Darauf zu sehen sind kleine Gesten wie Berührungen, eine Momentaufnahme beim Filmschauen im Bett, der Ausschnitt eines Körpers,  das Smartphone, das auf dem Bett liegt, ein Blick durch die Oberschenkel, natürlich ein Selfie, eine Seidenblume, Essen auf dem Bett, der eigene Schatten an der Wand, sowie eine Katze. Es sind inszenierte Fotografien, die sich auf die Bildsprache der sozialen Netzwerke einlassen, oder besser gesagt: sie nachempfinden.

Sie umkreisen das zeitgenössische Leben in seiner Gespaltenheit zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, Präsenz und Virtualität. Das nach-außen-dringen des Privaten definiert heute Privatsphäre neu, gleichzeitig ermöglicht es Anonymität und Untertauchen in einer großen Masse. Und doch sitzt man physisch irgendwo, während man im Internet ist. Oft ist das zu Hause und eine gemütliche Angelegenheit. Man kann im warmen Bett bleiben, während man virtuell weit weg ist. Aber man ist nicht ganz zufrieden. Denn das Begehren wird geweckt, aber nicht so unmittelbar befriedigt, wie die Bildwelten es suggerieren. Die Berührung des Touchscreens reicht nicht, es bleibt eine Sehnsucht nach Realität, jenseits ihrer Darstellung. 

Bei Rendl sind die Fotografien nicht nur sensibel und intim, sondern erzählen auch vom Auflösen von Grenzen. Teilweise beidseitig bedruckt, stellen sie außerdem eine Welt über den glänzenden Oberflächen dar – etwa herumliegende Zigaretten, loderndes Feuer oder eine über den Screen wischende Hand. Beide Ebenen verschmelzen zu einem Bild, der inszenierte Alltag wird eins mit der nicht minder inszenierten Realität darüber. Hier verschwimmt, was heute immer mehr ineinander übergeht: das digitale und das analoge soziale Leben. Es entwickelt sich eine Distanz zum eigenen Körper, den man immer mehr als Werkzeug sieht, aber trotzdem berührt haben will, während man im Licht der Screens auf Tag-Nacht-Rhythmen vergisst. Egozentrik und Isolation halten sich die Schwebe mit einer Sehnsucht nach Nähe. Und das Begehren und die Begierde sind das Einzige, das übrig bleibt, sowohl in Rendls Spiegelbild unserer Bildwelten als auch einer Welt, in der Wahrheit und Trugbild im Zusammenspiel neue Realitäten schaffen.

 

Rosa Rendl wurde 1983 geboren und lebt und arbeitet in Wien. Zuletzt waren ihre Arbeiten in den Ausstellungen „How Alive Are You“, Bar Du Bois, Wien (2014), „Let’s Mingle“, Franz Josefs Kai 3, Wien (2014) und „Rendl-Wittmann & Buschmann“, Parallel Fair Vienna, Wien (gemeinsam mit Adrian Buschmann, 2014) zu sehen. Mit Daphne Ahlers tritt sie seit 2010 als Lonely Boys auf. Zuletzt performten die beiden u.a. im Künstlerhaus – Halle für Kunst und Medien, Graz (2015) und im Kunstraum Niederösterreich, Wien (2014).

 

Katalog zur Ausstellung:
21er Raum 2012 – 2016
Herausgegeben von Agnes Husslein-Arco und Severin Dünser
Mit Texten von Severin Dünser, Simon Dybbroe Møller, Paul Feigelfeld, Agnes Husslein-Arco, Lili Reynaud-Dewar und Luisa Ziaja über Ausstellungen von Anna-Sophie Berger, Andy Boot, Vittorio Brodmann, Andy Coolquitt, Simon Dybbroe Møller, Iman Issa, Barbara Kapusta, Susanne Kriemann, Adriana Lara, Till Megerle, Adrien Missika, Noële Ody, Sarah Ortmeyer, Mathias Pöschl, Rosa Rendl, Lili Reynaud-Dewar, Anja Ronacher, Constanze Schweiger, Zin Taylor, Philipp Timischl, Rita Vitorelli und Salvatore Viviano
Grafikdesign von Atelier Liska Wesle, Wien/Berlin
Deutsch/Englisch
Softcover, 21 × 29,7 cm, 272 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Farbe
Belvedere, Wien, 2016
ISBN 978-3-903114-18-0