»Spiegelnde Fenster – Reflexionen von Welt und Selbst«
Marc Adrian, Martin Arnold, Vittorio Brodmann, Georg Chaimowicz, Adriana Czernin, Josef Dabernig, Gunter Damisch, VALIE EXPORT, Judith Fegerl, Michael Franz / Nadim Vardag, Padhi Frieberger, Bernhard Frue, Walter Gamerith, Bruno Gironcoli, Samara Golden, Judith Hopf, Alfred Hrdlicka, Iman Issa, Martha Jungwirth, Jesper Just, Tillman Kaiser, Johanna Kandl, Joseph Kosuth, Susanne Kriemann, Friedl Kubelka / Peter Weibel, Luiza Margan, Till Megerle, Henri Michaux, Muntean Rosenblum, Walter Pichler, Tobias Pils, Arnulf Rainer, Ugo Rondinone, Isa Rosenberger, Gerhard Rühm, Markus Schinwald, Toni Schmale, Anne Schneider, Richard Teschner, Simon Wachsmuth, Rudolf Wacker, Anna Witt; kuratiert von Severin Dünser und Luisa Ziaja
21er Haus, Wien
22. Juni 2017 – 14. Jänner 2018
Am Anfang jeder thematischen Gruppenausstellung steht die raumzeitliche Differenz ihrer Teile, entstammen diese doch jeweils spezifischen Kontexten, die in ihrer ästhetischen Erscheinung mehr oder weniger explizit werden. Im Aufeinandertreffen dieser Teile und insbesondere in konkreten Konstellationen einzelner Arbeiten werden diskrete Verbindungen zwischen ihnen wahrnehmbar, entstehen oder verstärken sich Sinnzusammenhänge oder ergeben sich auch Widersprüche. Diese bedeutungsgenerierenden Effekte des Mediums Ausstellung machen sie zu einem Raum der Verhandlung, in dem wir als Betrachterinnen und Betrachter immer wieder neu die dargebotenen visuellen und narrativen Stränge aufnehmen, weiterspinnen, fallen lassen oder an anderer Stelle verknüpfen.
Unsere kuratorische Auswahl und Kombination von Arbeiten aus dem Sammlungsbestand des Belvedere und der Artothek des Bundes ist angetrieben von der Frage nach einer Relevanz im Hier und Jetzt im Hinblick auf das im Titel »Spiegelnde Fenster – Reflexionen von Welt und Selbst« angesprochene Spannungsfeld: Fenster markieren die Schwelle zwischen privat und öffentlich, sie sind Öffnungen, die von innen den Blick auf das Außen einrahmen, während wir uns von draußen in ihnen spiegeln. Beide Motive – der Spiegel wie auch das Fenster – sind bekannte Metaphern für die Erkenntnis der Welt und die Erkenntnis des Selbst in der bildenden Kunst. Dieser Sicht auf das Innere, das Äußere und deren Wechselwirkungen geht die Präsentation nach.
Den Auftakt bilden Arbeiten, die im weitesten Sinne die Artikulationsfähigkeit des Subjekts angesichts einer krisenhaften Gegenwart zum Thema haben. So beleuchtet Joseph Kosuth buchstäblich eine Textpassage aus Sigmunds Freuds »Psychopathologie des Alltagslebens« zu sprachlichen Fehlleistungen in Kriegszeiten, während Muntean Rosenblum die Szene des gewaltsamen Aufeinandertreffens von Demonstrierenden und Polizei mit der Dissonanz persönlichen Erinnerns und offizieller Geschichtsschreibung verknüpfen und Anna Witt mit ihrer Videoinstallation zum »Radikal Denken« und Entwerfen einer anderen Wirklichkeit anregt.
Von der Präsenz des Körpers in seiner Absenz erzählen die Fotografien von Bernhard Frue und Nadim Vardag: Frues Negativprint »Samthansen« verdeutlicht, wie sich die Schattenökonomie der Sexarbeit mittels improvisierter Blickbarrieren in einen öffentlichen Park einschreibt; Vardag hingegen macht durch die Verfremdung eines ikonischen Bildes Mechanismen der Fetischisierung sichtbar. Um die Inszenierung von Begehren im Mainstreamkino und deren Brechung kreist »A Vicious Undertow« von Jesper Just; Luiza Margan wiederum nimmt anhand einer von Paaren im öffentlichen Raum ausgeführten Geste traditionelle Geschlechterverhältnisse in den Blick, während VALIE EXPORT die Normierung des weiblichen Körpers in ein Verhältnis zu urbaner Architektur setzt. Mit anthropomorphen Qualitäten auf ganz unterschiedlichen Ebenen operieren Anne Schneider und Judith Hopf: Schneiders »Bodyguards« behaupten sich zwischen Figuration und Abstraktion oszillierend in ihrer Materialität und Farbigkeit, während Hopfs wartender, scheinbar dauerbereiter Laptop als quasianimiertes Ding auf das burnoutgeplagte Individuum verweist. Und Till Megerles menschlicher Schubkarren zeugt von einem Spiel mit Macht und Unterwerfung, das Körper und Psyche gleichermaßen betrifft.
Zeichnungen von Megerle finden sich auch in der folgenden Konstellation, die sich Phänomenen des Spirituellen widmet und nach der gegenwärtigen Bedeutung religiöser Motive fragt. Die Zeichnungen von Eselköpfen beziehen sich auf Georges Bataille, der diese als »virulenteste Manifestation« des niederen Materialismus im Sinne der Gnostiker interpretierte. Marc Adrian wiederum zitiert Goethes ungeheuren Spruch »Niemand gegen Gott außer Gott selbst« und setzt ihn mit seiner Darstellung eines heidnischen Götzenbildes in einen polytheistischen Kontext. Adriana Czernins abstrakte Zeichnungen verweisen unverkennbar auf islamische Ornamentik, brechen aber gleichzeitig auch metaphorisch deren Symmetrie, während Simon Wachsmuths Video iranische Männer bei Leibesübungen zeigt, die auf ein klandestines Kampftraining zurückgehen, das über die Jahrhunderte ritualisiert und mit spirituellen Inhalten angereichert wurde.
Körperliche Rituale als Ausdruck der Bewältigung sozialer, ökonomischer und politischer Eskalationen kommen in den Arbeiten von Walther Gamerith, Isa Rosenberger und Alfred Hrdlicka zur Darstellung. So zeugt Gameriths »Tanz der Krüppel« vom Elend der Kriegsversehrten, die dem Trommelschlag des personifizierten Todes zu folgen haben; der wiederum in Rosenbergers Videoarbeit »Espiral« einen Auftritt im überzeitlichen Motiv des Totentanzes hat und in ein dichtes Gefüge von Referenzen und Kontinuitäten zur ersten Weltwirtschaftkrise verwebt ist. »Bal des victimes« von Hrdlicka wiederum verarbeitet das Phänomen der als kathartisch beschriebenen Bälle, die Überlebende der Terrorherrschaft während der Französischen Revolution im Gedenken an ihre guillotinierten Angehörigen veranstaltet haben sollen. Iman Issas Installation hingegen bringt ein assoziationsreiches Gedankenspiel darüber in Gang, ob wir eine vergangene Ära des Luxus und der Dekadenz mit Melancholie oder Revolution verbinden. Und Johanna Kandls Gemälde befasst sich mit ökonomischen Randzonen und der Prekarität des Alltags in vom Turbokapitalismus gebeutelten Gesellschaften.
Natur und ihre physikalischen Gesetze stehen im inhaltlichen Zentrum eines weiteren Raumes. Als Metaphern für die Gesellschaft oder den Körper werden hier Analogien aufbereitet, aus denen Rückschlüsse gezogen und an die Betrachterinnen und Betrachter weitergereicht werden. So setzt etwa Peter Weibel etwa seinen Aufruf »Mehr Wärme unter die Menschen« buchstäblich um. Susanne Kriemann porträtiert in ihrer Arbeit einen roten Granitmonolithen und damit auch den Künstler Robert Smithson, an dessen Todesort der Stein aufgestellt wurde. Judith Fegerls Werk verbindet mittels Löten Kupferdrahtstücke zu einer fragilen Installation, die physikalische und physische Eigenschaften in Relation zueinander stellt. Und der Film »Entropie« von Michael Franz und Nadim Vardag schließlich beschreibt anhand physikalischer Gesetze eine Atmosphäre im Kulturbetrieb, in der die langsame Sinnentleerung und damit der Stillstand droht.
Einer bewussten, paradox positiven Sinnentleerung scheinen sich die Protagonistinnen und Protagonisten des »Hotel Roccalba« von Josef Dabernig hinzugeben, wenn sie kollektiv vereinzelt Tätigkeiten nachgehen und letztlich nichts geschieht. Von der Steigerung dieses Moments der Banalität, das ins Unheimliche kippt oder im Grauen des Alltags kulminiert, zeugen Arbeiten wie Markus Schinwalds lebensgroße Puppe »Betty«, die apathisch – wie fremdgesteuert – auf einem Stuhl hin und her wippt, und Samara Goldens Fotografie »Mass Murder, Blue Room«, die einen halluzinatorischen Raum, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander verschränkt sind, als potenziellen Tatort inszeniert. In Walter Pichlers Zeichnung »Schlafender« wird die Ruheposition zur existenzialistischen Handlung und mit Krankheit und Tod assoziiert, während Martin Arnolds Video »Passage à l’acte« die psychische Anspannung und latente Aggression im Idyll einer Familienszene freilegt und Tillman Kaisers irritierende Wandtapete »Habitación retorcida« die aufgeladene Beziehung zwischen Mutter und Kind räumlich übersetzt.
Diese Arbeit ist mit einer weiteren Konstellation verschränkt, in der sich alles um das Selbst dreht: Ugo Rondinones Protagonist in »Cigarettesandwich« flaniert in einem Loop eine Wand entlang – die Bewegung wird durch die Wiederholung zu einer meditativen, der Zeit enthobenen Rotation um sich selbst; Produkt einer Selbstreflexion ist auch die Zeichnung »Ich – Irgendwo da drinnen eingebettet (Oder dort draußen)« von Gerhard Rühm, in der der Künstler das Wort »Ich« mit kreisenden Gesten unzählige Male übereinandergeschrieben hat; Adriana Czernin dagegen übersetzt in ihrem Selbstporträt innere Vorgänge in ein Zusammenspiel zwischen Figuration und Abstraktion.
Selbsterfahrungen und das Erforschen der eigenen Psyche wie auch das betont antirationalistische Erschaffen individueller, surrealer Bildwelten einen eine ganze Reihe von Arbeiten. So zeigt das »Selbstbildnis« von Georg Chaimowicz den Kopf des Künstlers in Auflösung und zeugt von der existenziellen Identitätssuche nach der Shoah. Martha Jungwirths fantastisches »Käferwesen« geht aus einer Verbindung von unbewussten Gesten mit bewussten Erfahrungen hervor, während Richard Teschners »Platzregen« die Naturgewalt personifiziert und sie als monsterhaftes Wesen darstellt. Vittorio Brodmann hingegen schafft mit seinen comichaften anthropomorphen Figuren intensive visuelle Gefühlswelten, ebenso wie Gunter Damisch, dessen Komposition einem eigenen Kosmos jenseits des kollektiven Wirklichkeitsverständnisses entspringt. Der Ästhetik der Neuen Sachlichkeit ist hingegen Rudolf Wackers Stillleben »Zwei Köpfe« verpflichtet, das vom projektionsreichen Zusammenspiel seiner Bildelemente lebt. Henri Michaux’ écriture automatique oszilliert zwischen Malerei und Dichtung, Figur und Schrift und ist scheinbar direkt aus dem Unbewussten aufs Papier übertragen. »Umgang mit kleinen Mengen« von Tillman Kaiser regt die Fantasie eines substanzunterstützten Trips durch das All an, und Padhi Frieberger setzt mit seinem »Schweinealtar« einer fiktiven Religion ein Denkmal, während er die abgöttische Verehrung von Dingen in unserer Welt persifliert.
Bruno Gironcolis raumgreifende Skulptur »Mütterliches, Väterliches« repräsentiert wiederum ein verrätseltes Formen- und Symboluniversum, das die menschliche Existenz in Physis und Psyche zu adressieren scheint. Das Ineinandergreifen von Innen- und Außenwelt liegt auch den Arbeiten von Tobias Pils und Toni Schmale zugrunde: Pils’ genuines formales Vokabular hält seine Werke in einer Schwebe zwischen Realitätsbezug und mentaler Imagination, während sich Schmales Nitrofrottagen auf Beton in einer Destabilisierung konventioneller Deutungsmuster üben und skizzieren, wie sich Begehren in Objekte übersetzen lässt.
Mit diesem Erzählbild der Ausstellung versuchen wir, das Zusammenspiel der gezeigten Arbeiten knapp zu umreißen, im Bewusstsein, dass es vielschichtiger und komplexer, mitunter auch brüchiger ist. Es soll als Anstoß dienen für neue, subjektive Assoziationen und Narrative, die andere Fäden miteinander verknüpfen, als wir es hier tun. Als Summe ihrer Teile macht die Ausstellung das heutige Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft erfahrbar und reflektiert – ganz im Sinne der spiegelnden Fenster – zugleich Auswirkungen auf Körper und Geist.
Katalog zur Ausstellung:
Spiegelnde Fenster – Reflexionen von Welt und Selbst
Herausgegeben von Stella Rollig, Severin Dünser und Luisa Ziaja
Mit Texten von Véronique Abpurg, Severin Dünser, Alexander Klee, Michaela Köppl, Naima Wieltschnig, Claudia Slanar und Luisa Ziaja über Arbeiten von Marc Adrian, Martin Arnold, Vittorio Brodmann, Georg Chaimowicz, Adriana Czernin, Josef Dabernig, Gunter Damisch, VALIE EXPORT, Judith Fegerl, Michael Franz / Nadim Vardag, Padhi Frieberger, Bernhard Frue, Walter Gamerith, Bruno Gironcoli, Samara Golden, Judith Hopf, Alfred Hrdlicka, Iman Issa, Martha Jungwirth, Jesper Just, Tillman Kaiser, Johanna Kandl, Joseph Kosuth, Susanne Kriemann, Friedl Kubelka/Peter Weibel, Luiza Margan, Till Megerle, Henri Michaux, Muntean Rosenblum, Walter Pichler, Tobias Pils, Arnulf Rainer, Ugo Rondinone, Isa Rosenberger, Gerhard Rühm, Markus Schinwald, Toni Schmale, Anne Schneider, Richard Teschner, Simon Wachsmuth, Rudolf Wacker und Anna Witt
Grafikdesign von Atelier Liska Wesle, Wien/Berlin
Deutsch/Englisch
Softcover, 19 × 24 cm, 136 Seiten, zahlreiche Abbildungen in Farbe
Belvedere Wien, 2017
ISBN 978-3-903114-36-4
»Das Begreifen«
Heinrich Dunst, VALIE EXPORT, Franziska Kabisch, Barbara Kapusta, Peter Weibel, Tina Schulz, Javier Téllez
21er Raum im 21er Haus, Wien
30. November 2016 — 22. Jänner 2017
Der Ausdruck „Begreifen“ bezeichnet den Prozess des geistigen Erfassens und wird als Synonym für „Verstehen“ verwendet. Etymologisch lässt es sich von der physisch-haptischen Tätigkeit des Abtastens herleiten – ähnlich dem Begriff „Konzept“, der vom lateinischen „concipere“ abstammt, das wörtlich übersetzt Zusammenfassen bedeutet. Die Ausstellung versucht dem nachzugehen, was in den Begriffen zusammenläuft: manuelle Handlung und intellektuelle Rezeption.
Peter Weibel etwa fragt mit „Das Wort Hand mit der Hand schreiben“ nach der Beweisbarkeit der Existenz von Dingen, Vorgängen und Verhältnissen – und zuallererst von der Hand. Das kommt nicht von ungefähr, wird die Hand doch schon in frühen Kindestagen genutzt, um sich der äußeren Realität zu versichern. In der Bibel etwa wird der ungläubige Thomas mit den Worten zitiert „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“1 Der Philosoph Helmuth Plessner beschreibt unsere Wahrnehmung als „Auge-Hand-Feld“, das dem Menschen mit dem Erlernen des aufrechten Gangs zur Eigenheit wurde: „Das Auge führt die Hand, die Hand bestätigt das Auge“2 Dieses Sehen mit der Hand und die Erfahrung daraus steht auch im Zentrum von Barbara
Kapustas „Soft Rope“. In einem Video ist ein Seil zu sehen, das die Künstlerin mit ihrer Hand erkundet, während sie ihren Eindruck des Vorgangs mit einem Gedicht umreißt. Auch in Javier Téllez’ Film „Der Brief über die Blinden zum Gebrauch für die Sehenden“ (zu sehen im Blickle Kino im Erdgeschoss) geht es um taktile Wahrnehmung. Angelehnt an eine indische Parabel ertasten darin sechs blinde Frauen und Männer einen Elefanten. Alle haben eine unterschiedliche Erfahrung des Tieres, dem sie gegenüberstehen, und ihre Interpretationen decken sich nicht – die subjektiven Wahrnehmungen führen zu keiner objektiven Wahrheit.
Die Hand ist allerdings nicht nur ein Instrument zum Ertasten, sondern auch zum Formen. Richard Serra schuf 1968 den Film „Hand catching lead“. Darin ist eine Hand zu sehen, die versucht Bleistücke zu fangen und dabei zu verformen, bevor sie sie wieder fallen lässt. In Serras Film wird dieselbe Geste repetitiv wiederholt, und es gibt keine geglückten oder misslungenen Produkte die zu erkennen sind. Stattdessen wird auf den Prozess des Machens fokussiert, der Film wird zu einer Metapher für die Bildhauerei selbst. Tina Schulz eignet sich die Gesten des Films an und wiederholt sie – allerdings ohne das Blei. Was übrig bleibt sind die scheinbar ziellosen Bewegungen der Hand, die nur im Vergleich mit dem Originalfilm Sinn ergeben und durch die Reduktion überhöht werden.
Die Hand ist, als Objekt gesehen, ausführender Stellvertreter des Subjekts – im Speziellen wenn das Ich ein Künstler ist, wie etwa Heinrich Dunst. Bei ihm „handelt“ die Hand nicht wie bei Schulz, sondern sie wird angesprochen. „Hello Hand“ sagt Dunst zur Hand, die er wie ein Exponat auf einem Tisch platziert hat. In einem Monolog, den er gleichermaßen an die Hand, den Betrachter und sich selbst richtet, spricht er seinen Körperteilen Funktionen zu, die sie eigentlich nicht primär innehaben. Er beschreibt eine Verhältnisstruktur, die bei der Wahrnehmung anfängt und mit der Kommunikation endet – als Metapher für das Handeln, das das Denken mit der körperlichen Existenz in Balance hält.3
Martin Heidegger schrieb dazu: „Vielleicht ist das Denken auch nur dergleichen wie das Bauen an einem Schrein. Es ist jedenfalls ein Hand-Werk. […] Allein das Werk der Hand ist reicher, als wir gewöhnlich meinen. Die Hand greift und fängt nicht nur, drückt und stößt nicht nur. Die Hand reicht und empfängt und zwar nicht allein Dinge, sondern sie reicht sich und empfängt sich in der anderen. Die Hand hält. Die Hand trägt. Die Hand zeichnet, vermutlich weil der Mensch ein Zeichen ist. Die Hände falten sich, wenn diese Gebärde den Menschen in die große Einfalt tragen soll. Dies alles ist die Hand und ist das eigentliche Hand-Werk. In ihm beruht jegliches, was wir gewöhnlich als Handwerk kennen und wobei wir es belassen. Aber die Gebärden der Hand gehen überall durch die Sprache hindurch und zwar gerade dann am reinsten, wenn der Mensch spricht, indem er schweigt.“4
Und auch VALIE EXPORT bezieht sich in ihrem Video „Sehtext: Fingergedicht“ auf Heidegger, den sie mit „Ich sage die Zeige mit den Zeichen im Zeigen der Sage“ frei zitiert. Sie führt den Satz mit ihren Fingern in „visueller Zeichensprache“ aus, kommuniziert mit Händen (ohne Füsse). „Der Körper kann also dazu benützt werden, sowohl geistige wie körperliche Inhalte mitzuteilen. Der Körper als Informationsträger. Der Mensch ist durch den Körper in die soziale Struktur eingepasst“, führt sie zur Intention ihres Videos aus. Und um die soziale Kommunikation rund um die Hände geht es auch in Franziska Kabischs „Deklinationen (Can I inherit my dead parents’ debts?)“. Ausgehend von den an vielen Universitäten bestehenden Professorengalerien wird darüber nachgedacht, wie sich Wissensproduktion und wissenschaftliche Normen in Haltungen – insbesondere der Hände – manifestieren, wie sie übernommen und fortgesetzt werden. Aus dem universitären Kontext einer Vorlesung stammt auch dieses abschließende Zitat von Martin Heidegger: „Doch nur insofern der Mensch spricht, denkt er; nicht umgekehrt, wie die Metaphysik es noch meint. Jede Bewegung der Hand in jedem ihrer Werke trägt sich durch das Element, gebärdet sich im Element des Denkens. Alles Werk der Hand beruht im Denken. Darum ist das Denken selbst das einfachste und deshalb schwerste Hand-Werk des Menschen, wenn es zu Zeiten eigens vollbracht sein mochte.“4
1 Evangelium nach Johannes, 20,25
2 Helmuth Plessner, „Anthropologie der Sinne“ (1970), Suhrkamp, 2003
3 „ich denk’ und vergleiche, sehe mit fühlendem Aug’, fühle mit sehender Hand“ – Johann Wolfgang von Goethe, „Römische Elegien“ (1788–1790)
4 Martin Heidegger, „Was heißt Denken?“ (1951–1952), Max Niemeyer Verlag, 1954
Franz Graf
»Siehe was dich sieht«
Mit Exponaten von unter anderem Franz Graf und Marc Adrian, Estera Alicehajic, Theo Altenberg, Ferdinand Andri, Anouk Lamm Anouk, Nobuyoshi Araki, Magnús Árnason, Johanna Arneth, Snorri Ásmundsson, Rudolf Bacher, Franz Barwig d. Ä., Lothar Baumgarten, Selina de Beauclair, Tjorg Douglas Beer, Joseph Beuys, Binär, Herbert Boeckl, Anna-Maria Bogner, Herbert Brandl, Geta Brătescu, Arik Brauer, Günter Brus, William S. Burroughs, James Lee Byars, John Cage, Nina Canell, Ernst Caramelle, Anna Ceeh, Larry Clark, Tamara Dinka, Iris Dostal, Marcel Duchamp, Dejan Dukic, Rudolf Eb.er & Joke Lanz, Valie Export, Helmut Federle, Ernst Fuchs, Walter Gamerith, August Gaul, Ron Geesin & Roger Waters, Gelitin, Liam Gillick & Corinne Jones, Allen Ginsberg, Sara Glaxia, Gottfried Goebel, Karl Iro Goldblat, Martin Grandits, Fritz Grohs, Mario Grubisic, Kristján Guðmundsson, The Guerilla Art Action Group, Tatjana Hardikov, Friedrich Hartlauer, Carl Michael von Hausswolff, Gunnhildur Hauksdóttir, Rudolf Hausner, André Heller, Herbert Hinteregger, Benjamin Hirte, Marcel Houf, Françoise Janicot, Ali Janka, Ana Jelenkovic, Robert Jelinek, Hildegard Joos, Donald Judd, Tillman Kaiser, Felix Kalmar, Allan Kaprow, Mike Kelley, Didi Kern & Philipp Quehenberger, Richard Kern, Leopold Kessler, Martin Kippenberger, Imi Knoebel, Peter Kogler, Franz Koglmann & Bill Dixon, Zenita Komad, Svetlana Kopystiansky, Brigitte Kowanz, Angelika Krinzinger, Elke Silvia Krystufek, Zofia Kulik, Doreen Kutzke, Marcellvs L., Bruce LaBruce, Eskil Loftsson, Daniel Löwenbrück, Sarah Lucas & Julian Simmons, Victor Man, Mark Manders, Michaela Math, marshall!yeti, Otto Maurer, Paul McCarthy, Andrew M. McKenzie, Bjarne Melgaard, Cecilie Meng, Merzbow, Rune Mields, Chiara Minchio, Milan Mladenovic, Klaus Mosettig, Otto Muehl, Wladd Muta, Adam Mühl, Gina Müller, Mario Neugebauer, Hermann Nitsch, Oswald Oberhuber, Erik Oppenheim & David Kelleran, Charlemagne Palestine, Manfred Pernice, Goran Petercol, Rade Petrasevic, Raymond Pettibon, Walter Pichler, Begi Piralishvili, Elisabeth Plank, Natascha Plum, Rudolf Polanszky, Franz Pomassl, Arnulf Rainer, Raionbashi / Krube., Konrad Rapf, Jason Rhodes, Paul-Julien Robert, Gerwald Rockenschaub, Dieter Roth, Fiona Rukschcio, Runzelstirn & Gurgelstøck, Alexander Ruthner, Gerhard Rühm, Kurt Ryslavy, Nino Sakandelidze, Georg Sallner, Ed Sanders, Markus Schinwald, Eva Schlegel, Conrad Schnitzler, Philipp Schöpke, Claudia Schumann, Rudolf Schwarzkogler, Frederike Schweizer, Björn Segschneider, Jim Shaw & Benjamin Weissman, Jörg Siegert, Sigtryggur Berg Sigmarsson, Tamuna Sirbiladze, Linnéa Sjöberg, Dominik Steiger, Nino Stelzl, Curt Stenvert, Alexander Stern, Rudolf Stingel, Martina Stoian, Johannes Stoll, Ida Szigethy, Lilli Thießen, Bjarni H. Thórarinsson, Manfred Unger, Franz Vana, Jannis Varelas, Walter Vopava, Wolf Vostell, Klaus Weber, Peter Weibel, Lois Weinberger, Herwig Weiser, Wendy & Jim, Adam Wiener, Ingrid Wiener, Oswald Wiener, John Wiese, Judith Weratschnig, Stefan Wirnsperger, Eva Wohlgemuth, Helmut Wolech, Iwona Zaborowska, Thomas Zipp und Heimo Zobernig
21er Haus, Wien
29. Jänner — 25. Mai 2014
Franz Graf ist ein recht spezieller Künstler. Er lässt sich nicht leicht in die üblichen Kategorien einordnen, und seine Arbeiten bzw. sein Œuvre ist nicht einfach zu beschreiben. Er ist weder vom Typ Konzeptkünstler, Malerfürst, verkanntes Genie, Staats- oder Marktkünstler noch ein Institutionskritiker und dennoch eine Menge von all dem – und immer einen Schritt voraus, wenn es darum geht, sich allzu gängigen Strukturen und damit einhergehenden Einordnungen zu entziehen.
Nach Lehrjahren bei Oswald Oberhuber an der Universität für angewandte Kunst Wien Mitte bis Ende der 1970er-Jahre arbeitet er bis 1984 mit Brigitte Kowanz im Dunstkreis des Neo Geo. Er entwickelt in den darauffolgenden Jahren eine eigene Bildsprache, die zwar noch sehr reduziert ist, aber schon als „expressive Geometrie“(1) bezeichnet wird. Aus der Beschäftigung mit der Grundeigenheit der Zeichnung – dem dunklen Strich auf hellem Grund – erarbeitet er ein Vokabular, das im Wesentlichen auf dem Gegeneinandersetzen von Kontrasten basiert. Geometrische Formen und ornamentalisierende Symbole dominieren seine Werke, die ab Ende der 1980er-Jahre zunehmend an Körperlichkeit gewinnen. Zeitgleich erweitert er sein technisches Spektrum. Neben Trägermaterialien wie Transparentpapier kommt der spezifischen Rahmung und der installativen Integration in den Raum immer mehr Augenmerk zu. Die klassischen Medien- und Kunstgrenzen werden überschritten, Zeichnungen werden zu Skulpturen, Skulpturen zu Möbeln, Möbel zu Installationen und diese wiederum zu räumlichen Ornamentationen. Und zwischendrin Malerei, die immer mehr sein Schaffen bestimmt. Parallel betreibt er die Ausweitung seiner Handlungsfelder. Graf kuratiert, musiziert, publiziert, veranstaltet und unterrichtet schließlich auch von 1997 bis 2006 an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Die Verschränkung von Kunst und Leben findet auch im Schaffen ihren Niederschlag. Franz Graf setzt gewissermaßen eine Bildmaschine in Gang, die sich alles einverleibt, was ihr über den Weg läuft. Diese Junggesellenmaschine treibt den Künstler an, zum Sammler, Archäologen, Dokumentaristen, Forscher und Archivar zu werden und die Fundstücke dann zu einer eigenen Welt zu amalgamieren. Sie werden dabei einem alchemistisch anmutenden Vorgang unterzogen, der die Dinge neu ordnet und die daraus resultierenden Strukturen zu einer eigenen Realität verschmilzt. In diesem Universum sind die Sachen eins und existieren gleichberechtigt nebeneinander, während sie miteinander verwoben sind. Ein Symmetriebedürfnis scheint diesem Kosmos zugrunde zu liegen, das eine reine und höhere Ordnung nahelegt, in der moralische, pekuniäre, ja weltliche Gesetzmäßigkeiten keinen Nutzen zu haben scheinen. Die Weltordnung ist jenseits von Gut und Böse und nichts unterworfen: keinen Idealen, keinen Hierarchien, nur dem Transzendentalen und dem Dualismus von Schwarz und Weiß.
Und doch bleibt Graf bei all dem der Zeichnung verbunden. Deren reduzierte Darstellung ermöglicht Abstraktion bei gleichzeitiger Abbildhaftigkeit, und das verhilft den Zeichnungen an sich zur Eigenständigkeit gegenüber Motiv und reiner Signifikanz. Genau hier setzt Graf an, nutzt die natürlichen Wahrnehmungsmuster – also die instinktive Suche nach Erkennbarem –, um das Auffindbare gleich wieder unserer Realität zu entfremden und in Striche, Linien und Flächen, aber auch Ideen und Zeichen zerfallen zu lassen. Das Bezeichnende wird dabei ebenso sichtbar wie das Bezeichnete und das Bezeichnen selbst.
Diesen Schemata folgt Franz Graf auch im Großen mit seiner Ausstellung im 21er Haus. Wahrnehmungsabläufe werden forciert, ein Kosmos wird formuliert. „Siehe was dich sieht“ ist das Motto der Schau, die nicht nur Grafs Arbeiten präsentiert, sondern auch den Anspruch erhebt, durchaus repräsentativ den aktuellen Zustand eines künstlerischen Universums abzubilden und mit seinesgleichen zu kontextualisieren.
Für seine Ausstellung im 21er Haus verzahnt Graf die vielen Ebenen seines Werks erneut, um sein charakteristisches Spiel mit Leere und Fülle, Schwarz-Weiß-Kontrasten, kleinen zarten Details und großem Ikonenhaftem, Archaischem und Modernem zu treiben. Eigens produzierte und ältere Arbeiten stellt er dabei Werken von internationalen und lokalen zeitgenössischen Künstlern sowie Exponaten aus der Sammlung des Belvedere und seiner eigenen Sammlung gegenüber.
Nur ein Teil seiner Bilder ist figürlich. Schwarz und weiß sind sie alle, aber auch abstrakt und ornamental. Dann basieren sie oft auf Kreisen, wirken wie Mandalas bzw. Meditationsobjekte, die einen inneren Prozess darlegen. Andere wiederum bestehen aus Buchstabenkombinationen, die Wortfetzen bis Zitate bilden. Deren Bedeutungen können entstehen und ebenso schnell wieder zwischen den Fingern zerrinnen, um sich in neuen Bedeutungen aufzulösen. Graf geht mit Lettern wie mit seinen figürlichen Motiven um. Durchaus eklektizistisch vereint er Elemente, um sie durch seine Materialpoesie neu hervorgehen zu lassen. Die Kulturtechnik des Copy-and-Paste gehört nämlich zu seinen grundlegenden Stilmitteln – Aneignung und Verfremdung sind seine Komplizen, Struktur und Wiederholung seine Mitwisser. Zeichnungen, Fotografien, Audio- und Leinwandarbeiten, Drucke und Alltagsobjekte verschränkt Graf dabei, um offene Systeme zu schaffen, die mehr ästhetische Erfahrungsräume sind als multimediale Installationen.
In der Ausstellung ruhen dabei einige Augen auf den Betrachterinnen und Betrachtern. Verführerisch, scheu, vorwurfsvoll, verängstigt und tief sind die Blicke, mit denen Grafs Bilder mit den Besuchern kokettieren. Kein Big Brother tritt dem Rezipienten entgegen, sondern Bilder auf Augenhöhe. Wie Spiegel werfen sie den Blick zurück auf die Betrachtenden, machen in ihrer Eindringlichkeit das Schauen zum unmittelbaren Thema: als Bewusstwerden zunächst des eigenen Schauens und in weiterer Folge des Erkennens und Wahr-Nehmens.
Aber der Titel „Siehe was dich sieht“ impliziert auch eine Wechselseitigkeit. Er deutet an, dass zu erwarten ist, dass man nicht nur sieht, sondern auch gesehen (und gelesen) wird. Die Frage, die man sich in Folge stellt, war auch Ausgangspunkt für die Konzeption der Ausstellung: Wie kann man sehen, ohne sich dabei durch das Präsentieren des eigenen Schauens abzulenken und in repräsentativen Gesten zu erstarren?
Aus praktischer Ausstellungseröffnungserfahrung weiß man: Es gibt kein Entrinnen. Entweder man gewöhnt sich an den Gedanken, noch mal allein zum Schauen zu kommen, oder man versucht, sich natürlich zu verhalten und das Risiko der Ablenkung auf sich zu nehmen. Für die Ausstellung haben wir uns für Letzteres entschieden. Also eigentlich dafür, das Schaffen nicht zu isolieren und zu stilisieren, sondern es mit all dem zu zeigen, das es bedingt und umgibt.
Den Rahmen dafür bildet eine Architektur aus Elementen, die normalerweise im Gerüst- und Bühnenbau verwendet werden. Das Display besteht aus Trägermaterial, das durchaus buchstäblich eingesetzt wird, um Strukturen sichtbar zu machen, die ansonsten im Hintergrund bleiben. Das Präsentieren geht also eine Symbiose ein mit dem unmittelbaren Zeigen der Konstruiertheit der Repräsentation. Die Summe der Teile ergibt nicht nur eine überbordende Ausstellung im Hauptraum des 21er Haus, sondern gleichsam eine Bühne, auf der Franz Graf während der Laufzeit seine Installation permanent erweitert, Exponate umstellt und umhängt und regelmäßig Performances und kollaborative Kunstproduktionen stattfinden. Besucherinnen und Besucher betreten also eine Bühne und werden gemeinsam mit Graf, eingeladenen Künstlern und den in Beziehung zueinander gesetzten Werken zu Protagonisten eines Prozesses der ständigen Adaption an die Umstände. Aber ist dabei sein nun alles? Kann die Ausstellung so aus den Repräsentationsmustern ausbrechen und einen unmittelbaren, sinnlichen Zugang, ja gar ein Durchdringen der Welt von Franz Graf versprechen? Selig sind wohl, „die nicht sehen und doch glauben“(2).
(1) Donald Kuspit, in: Franz Graf (Ausstellungskatalog, Galerie nächst St. Stephan, 22. Oktober – 26. November 1988), Wien 1988
(2) NT, Johannes 20,29.
‘Sign – Image – Object’
Marc Adrian, Ei Arakawa & Nikolas Gambaroff, Richard Artschwager, Josef Bauer, Martin Beck, Mel Bochner, Marcel Broodthaers, Gerard Byrne, Heinrich Dunst, Jenny Holzer, Lisa Holzer, Johanna Kandl, Michael Kienzer, Joseph Kosuth, Hans Kupelwieser, Thomas Locher, Oswald Oberhuber, Michael Part, Gerwald Rockenschaub, Anja Ronacher, Gerhard Rühm, Allen Ruppersberg, Stefan Sandner, Daniel Spoerri, Josef Hermann Stiegler, Josef Strau, Thaddeus Strode, Peter Weibel, Lawrence Weiner, Heimo Zobernig, Leo Zogmayer
in the context of ‘Collection #3’, 21er Haus, Vienna, 2013
21er Haus, Vienna
21 June — 10 November 2013
A museum collection reflects more than the historical vicissitudes of art purchasing policy: it also brings the programmatic direction of an institution into focus. At the 21er Haus, Austrian art is shown in an international context. Contemporary work is at the center of attention, supported by historical artworks which together with it represent a line of argument for its relevance in the here and now.
In order to make visible the diversity of the museum’s holdings, to rediscover artworks and think toward new relationships, the collection is reorganized at regular intervals. In the third presentation of the collection at the 21er Haus, the artworks are grouped into three areas, each of them centering on three concepts narrating localized histories of ideas that extend into the present.
Under the title ‘Freedom – Form – Abstraction’, works of Austrian postwar modernism are juxtaposed with contemporary artistic positions, demonstrating commonalities in both content and form. A second area directs the gaze toward the blurring of boundaries between ‘Sign – Image – Object’, thereby focusing attention on the structure of reception and its translation into language. Finally, ‘Body – Psyche – Performativity’ addresses social norms and their transgression in art since the 1960s.
The area ‘Sign – Image – Object’ attempts to capture the fruitful moments in which the boundaries between image and sign, writing and language, object and idea are transgressed.
What happens when image and sign collide, both being seen and read at the same time? What happens when an object no longer coincides with the beholder’s idea or mental representation of it? Is an image an object, a space of illusion, or itself a sign? When does a sign become an ornament, and can it completely lose its meaning when it is isolated or recontextualized? Can language be depicted without writing, or does it then remain a mute visualization?
To be explored is the interplay between signified and signifier, in other word between that which labels and that which is labeled, and the ambiguous status of sign, image and object, which has been thematized in art since the Conceptual movement of the 1960s. Not only do these queries address art and its reality; they also direct attention toward the process of perception. Outlines emerge of the ways in which we translate what we see into language, and of the interactions that are triggered in our thoughts by what we have seen.
»Zeichen – Bild – Objekt«
Marc Adrian, Ei Arakawa & Nikolas Gambaroff, Richard Artschwager, Josef Bauer, Martin Beck, Mel Bochner, Marcel Broodthaers, Gerard Byrne, Heinrich Dunst, Jenny Holzer, Lisa Holzer, Johanna Kandl, Michael Kienzer, Joseph Kosuth, Hans Kupelwieser, Thomas Locher, Oswald Oberhuber, Michael Part, Gerwald Rockenschaub, Anja Ronacher, Gerhard Rühm, Allen Ruppersberg, Stefan Sandner, Daniel Spoerri, Josef Hermann Stiegler, Josef Strau, Thaddeus Strode, Peter Weibel, Lawrence Weiner, Heimo Zobernig, Leo Zogmayer
im Rahmen von »Sammlung #3«
21er Haus, Wien
21. Juni — 10. November 2013
Eine Kunstsammlung spiegelt nicht nur die Geschichte einer oft wechselvollen Ankaufspolitik wider, ihre Präsentation verdeutlicht gleichzeitig auch die Programmatik einer Institution. Im 21er Haus wird österreichische Kunst im internationalen Kontext gezeigt. Zeitgenössisches steht im Zentrum und wird unterstützt von historischen Arbeiten, die gemeinsam eine Beweisführung für ihre Relevanz im Hier und Jetzt darlegen. Um die Vielseitigkeit des Bestandes sichtbar zu machen, Werke wiederzuentdecken und neue Nachbarschaften anzudenken, wird die Sammlung in regelmäßigen Abständen neu aufgestellt. In der dritten Sammlungspräsentation im 21er Haus umkreisen die Werke in drei Bereichen jeweils drei Begriffe, die lokale Ideengeschichten bis in die Gegenwart erzählen.
Unter dem Titel »Freiheit – Form – Abstraktion« werden Werke der österreichischen Nachkriegsmoderne zeitgenössischen Positionen gegenübergestellt und inhaltliche wie formale Gemeinsamkeiten aufgezeigt. Ein zweiter Bereich lenkt den Blick auf das Verschwimmen der Grenzen zwischen »Zeichen – Bild – Objekt« und verweist dabei auf die Struktur der Rezeption und ihre Übersetzung in Sprache. »Körper – Psyche – Performanz« handelt schließlich von sozialen Normierungen und deren Überschreitung in der Kunst seit den 1960er-Jahren.
Der Bereich »Zeichen – Bild – Objekt« versucht den fruchtbaren Moment zu fassen, wenn die Grenzen zwischen Bild und Zeichen, Schrift und Sprache, Objekt und Idee überschritten werden. Was passiert, wenn Bild und Zeichen aufeinandertreffen, zeitgleich gelesen und gesehen werden? Was, wenn ein Objekt nicht mit der Idee oder der Vorstellung, die man davon hat, übereinstimmt? Ist das Bild ein Objekt, ein Illusionsraum oder selbst ein Zeichen? Wann wird das Zeichen zum Ornament, und kann es überhaupt seine Bedeutung verlieren, indem man es isoliert oder neu kontextualisiert? Und kann man Sprache darstellen, ohne zu schreiben, oder bleibt es dann bei einer stummen Visualisierung? Es geht um das Spiel zwischen Signifikat und Signifikant, also Bezeichnetem und Bezeichnendem, und deren ungeklärten Status zwischen Zeichen, Bild und Objekt, der seit der Konzeptkunst der 1960er-Jahre thematisiert wird. Aber mit diesen Fragestellungen werden nicht nur Kunst und ihre Realität verhandelt, sondern wird auch auf den Prozess der Wahrnehmung verwiesen. Dabei wird deutlich, wie wir das Gesehene in Sprache übersetzen und welche Wechselwirkungen in unserem Denken über das Betrachtete ausgelöst werden.